Auswirkungen von Brandereignissen auf Opferzeugen

Aus Brand-Feuer.de
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Wissenschaftliche Untersuchung zum Thema
„Auswirkungen von Brandereignissen auf Opferzeugen“






Kreispolizeibehörde Gütersloh - Gütersloh, 22. Juli 2008
Direktion Kriminalität - Kriminalitätsvorbeugung/Opferschutz




Geschädigt / Täter, Zeuge, Beschuldigter oder Opferzeuge?
Foto: Michael Arning

Eine prospektive Studie der Kreispolizeibehörde Gütersloh in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld


Bei der polizeilichen Brandermittlungsarbeit stellt sich häufig die Frage nach den ersten Reaktionen der Betroffenen in der Brandsituation. In der Direktion Kriminalität/ Zentralkommissariat 1 der Kreispolizeibehörde Gütersloh ergaben sich von Seiten der Brandursachenermittler
(KHK Rainer Schwarz und KHK Helge Storck) immer wieder folgende Fragen:

  • Wie werden Personen auf einen Brand aufmerksam?
  • Wovon hängt es ab, wie sie handeln?
  • Welche Güterabwägungen spielen eine Rolle?
  • Standen Löscheinrichtungen zur Verfügung?
  • Wie wurden Löschmittel genutzt?


Aus der Beantwortung dieser Fragen könnten sich Erkenntnisse für die Brandvorbeugung ergeben, sowohl im Hinblick auf Verhaltensregeln für den Brandfall als auch hinsichtlich wünschenswerter Verbesserungen des technischen Brandschutzes.

Um für diese Fragestellungen eine wissenschaftliche Grundlage zu schaffen, wurden in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld zwei Diplomarbeiten im Fach Psychologie, in der Arbeitseinheit klinische Psychologie und Psychotherapie, erstellt.

Im Rahmen der Datenerhebung wurden die vorgenannten Fragen aus der Brandursachenermittlung mit dem Thema „posttraumatische Belastungsstörung“ (PTBS) verknüpft (siehe Anhang I und II). Grundlage der Untersuchung bildete eine Befragung von Brandopferzeugen hinsichtlich vorhandener Risikofaktoren für die Entwicklung dieses Störungsbildes. Die darauf basierenden Diplomarbeiten behandeln unterschiedliche Themenschwerpunkte (1. Aspekte kognitiver Vermeidung, 2. Aspekte emotionaler Verarbeitung; vgl. Anhänge III und IV)1 und wurden unter der Leitung von Dr. Sabine Schönfeld durch:

  • Dipl. Psych. Janina Ruthe und
  • Dipl. Psych. Ursula Rutschkowski erstellt.


Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (nach DSM-IV)2 beinhaltet die Auslösung von Belastungssymptomen durch ein traumatisches Ereignis. Das setzt ein Erlebnis voraus, dass tatsächlichen oder drohenden Tod, ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen oder anderer Personen beinhaltet. Dabei muss die Person das betreffende Ereignis entweder selbst erlebt haben oder Zeuge desselben gewesen sein. Eine andere diagnoserelevante Definition (ICD-10)3 geht aus von dem „Erleben einer Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß, die bei nahezu jedem Menschen eine tief greifende Verzweiflung auslösen würde“. Menschen reagieren darauf mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen. Kernsymptome der Störung sind das Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Erinnerungen, ein Vermeidungsverhalten, emotionale Veränderungen und Symptome erhöhter Erregung.

Neben den Fragen einer posttraumatischen Belastung einerseits und den brandbezogenen Fragen andererseits sind Auswirkungen solcher Brandereignisse auf Opfer bzw. Zeugen auch unter Opferschutzaspekten interessant. Für viele Menschen bedeutet ein sich ausbreitendes Feuer ein unkalkulierbares Risiko für Leben, Gesundheit und persönliche Sachwerte. Brandereignisse werden daher häufig als belastend erlebt. Um vorbeugende Maßnahmen zum Schutz betroffener Menschen vor einer Belastungssymptomatik (PTBS) treffen zu können, erschien es wichtig zu erfahren, inwieweit die Belastung durch das erlebte Brandereignis anhält. Die Reaktionen auf ein solches Ereignis können sehr vielfältig sein. Während einige Betroffene durch das Ereignis wenig Belastung verspüren, fühlen sich andere durch das Ereignis kurzfristig oder auch langfristig beeinträchtigt. Die Untersuchung sollte dazu beitragen, Hinweise auf Langzeitbelastungen von Betroffenen frühzeitig zu erkennen und mit den gewonnenen Erkenntnissen darauf hinzuwirken, Opferschutzmaßnahmen zu optimieren.


Ablauf der Untersuchung

Die Brandopferzeugen, die an der Erhebung teilnahmen, wurden über die polizeilichen Brandermittlungsverfahren rekrutiert, die im Raum Ostwestfalen-Lippe in den Monaten Mai bis Oktober 2007 geführt wurden. Dies war nach Genehmigung durch die Bezirksregierung Detmold möglich, da die Verfasserin einer der beiden Diplomarbeiten, Kriminalhauptkommissarin Ursula Rutschkowski, als Opferschutzbeauftragte bei der Kreispolizeibehörde Gütersloh tätig ist. Sie wertete die täglichen Lagemeldungen der sieben Polizeibehörden im Regierungsbezirk aus, sprach den Brandsachbearbeiter des jeweiligen Ermittlungskommissariates an und erhielt so die telefonische Erreichbarkeit von Geschädigten und Zeugen des betreffenden Brandes. Anschließend wurde zu den benannten Personen telefonisch Kontakt aufgenommen und versucht, sie für die Teilnahme an der Untersuchung zu gewinnen. Häufig ergaben sich dabei Schwierigkeiten, alle Augenzeugen in Erfahrung zu bringen, da diese nicht immer vollständig in den Brandberichten genannt werden. Es gelang aber zum Teil durch Befragung der Brandgeschädigten, weitere Augenzeugen (Mieter, Mitmieter, Ersthelfer) in Erfahrung zu bringen, so dass diese ebenfalls angesprochen werden konnten. In dem Fall eines Brandes in einem Wohnhaus in der Bielefelder Innenstadt, mit mehr als dreißig Mietparteien, bei dem ein Mieter zu Tode gekommen war, erfolgte die Kontaktaufnahme zu den Brandopferzeugen im Rahmen einer Hausbefragung. Es wurden nur Personen ausgewählt, die als materiell Geschädigte (Eigentümer oder Mieter des jeweiligen Brandobjektes) oder durch zufällige Anwesenheit als Augenzeugen ein Brandereignis etwas größeren Ausmaßes miterlebt hatten (keine Papiercontainerbrände u. ä.), denn nur in solchen Fällen war eine gewisse Schwere psychischer Belastung bei den Betroffenen zu erwarten. Bereits während des ersten Kontaktgesprächs wurde den Personen der Studienablauf erläutert, insbesondere der Umstand, dass es sich um eine Fragebogenuntersuchung mit zwei Messzeitpunkten handelt.


Stichprobenbeschreibung

  • Es wurden insgesamt 128 Erstkontaktgespräche geführt.
  • In der Folge wurden 159 Personen angeschrieben. Von dieser potentiellen Anzahl von Versuchspersonen nahmen 67 an der Befragung zum ersten Messzeitpunkt teil.
  • 52 dieser Erstbefragten beteiligten sich auch an der Datenerhebung zum zweiten Messzeitpunkt.
  • Die Untersuchungsgruppe zum Zeitpunkt der ersten Datenerhebung bestand aus 37 Frauen und 30 Männern, zum zweiten Erhebungszeitpunkt handelte es sich um eine Teilnehmergruppe von 30 Frauen und 22 Männern.
  • Der Betroffenheitsstatus der Untersuchungsteilnehmer setzte sich zusammen aus einem Anteil von 64% direkt Brandgeschädigter und 36% Augenzeugen.


Brandorte

Bei den Objekten, deren Brand die Untersuchungsteilnehmer miterlebten, handelte es sich zu:

  • 46% (betraf 31 Personen) um Wohnungen (Wohnhaus, Wohnheim),
  • zu 35% (bei 23 Personen) um an die Wohnung grenzende Räumlichkeiten (Keller, Garage, Schuppen),
  • zu 1,5% (bei 1 Person) um ein Fahrzeug,
  • zu 12% (bei 8 Personen) um Arbeitsstellen (Firmengebäude) und
  • zu 6% (bei 4 Personen) um „sonstige“ Brandobjekte (z. B. Viehstall oder Gartenhaus), welche die Befragten keiner der anderen Kategorien zugeordnet hatten.


Wie wurden die Personen auf den Brand aufmerksam?

Die meisten Personen hatten den Brand selbst bemerkt

  • (42%)
  • oder wurden durch andere alarmiert (46%).

Das heißt, die Personen haben den Brand gerochen, gesehen bzw. Brandgeräusche gehört oder sie wurden durch Rufe, Klingeln an der Haustür oder Ähnliches von anderen verständigt. Durch Rauchmelder wurden

  • lediglich 3% der Betroffenen alarmiert.
  • 9% der Befragten wurden auf andere Weise („sonstiges“), etwa durch einen Stromausfall, auf den Brand aufmerksam.

Brandverletzungen

Hinsichtlich der Brandfolgen war es in

  • 73% der Fälle (bei 49 Personen) zu keinen körperlichen Verletzungen gekommen,
  • in 18% der Fälle trugen (12) Untersuchungsteilnehmer leichte Verletzungen davon (erlitten leichte Rauchvergiftungen oder leichte Verbrennungen).
  • In nur 6% der Fälle kam es bei (4) Personen zu mittelschweren Verletzungen (die beispielsweise zu einem kurzen Krankenhausaufenthalt geführt hatten), schwer verletzt wurde niemand. Allerdings wurde durchaus Kontakt zu schwer brandverletzten Personen (mit langfristigem stationären Krankenhausaufenthalt) aufgenommen, die sich jedoch sämtlich nicht in der Lage sahen, an der Untersuchung teilzunehmen.


Belastung durch Verletzung oder Tod von Personen

  • In 80% der Fälle ergaben sich keine Personenschäden.
  • Bei 20% der Personen kam es zu Verletzungen oder zum Tod von anderen Menschen.
  • In drei Fällen (5%) wurde von der Verletzung eines Nahestehenden berichtet,
  • in einem Fall (2%) vom Tode eines solchen.
  • Bei zwei Teilnehmern (3%) kam es zum Verlust einer ihnen bekannten und bei
  • sieben (10%) zum Tod einer ihnen unbekannten Person.


Belastung durch Sachschäden

  • Bei etwa der Hälfte (51%) der Untersuchungsteilnehmer entstanden keine Sachschäden.
  • In 30% der Fälle kam es zu Sachschäden an Wert- und Einrichtungsgegenständen.
  • In einem Fall (2%) verlor eine Person durch das Brandereignis ihren Arbeitsplatz (Vermögensverlust).
  • Von einem Verlust persönlich bedeutsamer Dinge (z. B. Fotos, Erinnerungsstücke etc.) sprachen 18% der Befragten.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Personen, die beispielsweise durch den Brand ihr Wohnhaus verloren hatten, im Erstkontakt bekundeten, weder „Zeit noch Kraft“ zu haben, um sich mit dem Fragebogenkatalog zu beschäftigen (Selektionseffekt der Untersuchung).


Subjektives Erleben in der Brandsituation

Für die Bewertung der Stärke der psychischen Belastung der Betroffenen war von Bedeutung, wie die Untersuchungsteilnehmer die Brandsituation subjektiv erlebt hatten.

  • 19% der Befragten gaben an, während des Brandes Angst um das eigene Leben oder die eigene Gesundheit verspürt zu haben.
  • 36% der Untersuchungsteilnehmer berichteten, Angst um das Leben oder die Gesundheit anderer Personen gehabt zu haben.
  • Mehr als die Hälfte (52%) der Betroffenen empfanden ein Gefühl von intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen in der Brandsituation. Damit war für einen erheblichen Anteil der Befragten ein für die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung relevantes Kriterium erfüllt.


Reaktionen auf den Brand

Die Personen wurden im Rahmen der ersten Befragung gebeten, ihre spontanen Reaktionen während des Brandereignisses zu benennen (siehe Anhang I, Frage 2.3). Die Antwortalternativen sind in der ersten Spalte der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. In der zweiten Spalte der Tabelle wird angegeben, wie häufig die jeweilige Reaktion bei den Befragten vorkam (Mehrfachantworten waren möglich, daher ergeben sich teilweise höhere Werte als 100 Prozent). Häufige Reaktionen waren, Hilfe zu rufen und andere Betroffene zu verständigen. In einem Viertel der Fälle hatten die Befragten den Brand bekämpft bzw. gelöscht. Fast ebenso häufig hatten sie wichtige Gegenstände gerettet und die Flucht ergriffen. Vergleicht man die Anteile der Reaktionen von Frauen und Männern (Spalten 3 und 4 der Tabelle), fallen Unterschiede auf. Frauen neigen eher dazu, andere Betroffene zu verständigen, Hilfe zu rufen oder fremde Hilfe abzuwarten. Insbesondere flüchten sie häufiger vor dem Feuer als Männer. Dagegen retten Männer eher wichtige Gegenstände, sichern die Räume gegen das Feuer und bekämpfen bzw. löschen den Brand 4.



Umgang mit Löscheinrichtungen

Um Erkenntnisse für die Brandvorbeugung gewinnen zu können, war von Interesse, wie die Befragten in der Brandsituation mit etwaig vorhandenen Löscheinrichtungen, insbesondere Feuerlöschern, umgegangen waren. Folgende Fragen wurden den Untersuchungsteilnehmern diesbezüglich vorgelegt (Auszug aus dem Fragebogenkatalog / Anhang I).




Die Auswertung der Fragen ergab, dass in:

  • 73% der Fälle den Befragten kein Feuerlöscher zur Verfügung stand. Nur
  • in 27% der Fälle waren demnach Feuerlöscher verfügbar.
  • 15% der Befragten gaben an, nicht gewusst zu haben, ob ein Feuerlöscher vorhanden war.
  • Nur 8% der Personen nutzen einen Feuerlöscher, wobei in nur zwei Fällen der Brand damit erfolgreich abgelöscht werden konnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch Großbrände in die Untersuchung einflossen, bei denen es für die Betroffenen keine Möglichkeit gab, selbst Löschmaßnahmen zu ergreifen.
  • In den 27% der Fälle, in denen überhaupt Feuerlöscher vorhanden waren, wurden diese nur selten genutzt. Die Befragten gaben dafür verschiedene Gründe an. So wurde der Feuerlöscher nicht genutzt,
  • weil entweder ein anderes Löschmittel (z. B. Wasser) gewählt wurde (18 %)
  • die eigene Sicherheit bzw. die Sicherheit anderer wichtiger war (13 %)
  • die Person sich die Bedienung des Feuerlöschers nicht zutraute (13 %)
  • das Feuer schon zu groß war (21 %)
  • die Person wie erstarrt war (15 %)
  • sie nur noch flüchten wollte 10 %)
  • oder aus sonstigen Gründen, z. B. die Feuerwehr schon da war/ der Feuerlöscher nicht gefunden wurde, etc. (19%).


Zusammenhänge (Korrelationen)

In der Untersuchung konnten bestimmte statistisch bedeutsame (=signifikante) Zusammenhänge zwischen den Fragenblöcken Ziffern 2.3 und 2.4 (Anhang I) gefunden werden. Es ergeben sich Korrelationen zwischen der Reaktion „Brand bekämpft/ gelöscht“ und dem „Umgang mit Löscheinrichtungen“. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Zahlen auf die 25 % der Fälle beziehen, in denen es überhaupt zur Brandbekämpfung kam. Die Stärke des statistischen Zusammenhanges drückt sich in den Zahlenwerten aus (z. B.: .301 = mittlerer / .622 = starker Zusammenhang).


Umgang mit Löscheinrichtungen .................... Reaktion: „Brand bekämpft/ gelöscht“

  • Feuerlöscher vefügbar ............................................................... 343**
  • Feuerlöscher genutzt ................................................................ 487**
  • Mit Hilfe des Feuerlöschers das Feuer eingedämmt / gelöscht ........... 301*
  • Feuerlöscher nicht genutzt, weil er nicht funktionierte ........................ 301*
  • Feuerlöscher nicht genutzt, weil ich mir die Bedienung nicht zutraute . 301*

__________
Anmerkung:

  • **die Spearman’s-Rang-Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 signifikant (2-seitig) /
  • *die Spearman’s-Rang-Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 signifikant (2-seitig)



Die Tabelle zeigt, dass es logisch begründbare Zusammenhänge zwischen dem Umgang mit Löscheinrichtungen und der Brandbekämpfung gibt, so hängt die Nutzung des Feuerlöschers auch mit der Brandbekämpfung zusammen. Ein deutlicher Zusammenhang ergibt sich zwischen der Wahl anderer Löschmittel (z. B. Wasser) und der aktiven Brandbekämpfung. Wenn also gelöscht wurde, dann eher mit anderen Löschmitteln, selten mit dem Feuerlöscher.

Weiterhin ergaben sich Zusammenhänge zwischen der Reaktion, Räume gegen das Feuer zu sichern und dem Umgang mit Löscheinrichtungen.


Umgang mit Löscheinrichtungen..................Reaktion: „Räume gegen das Feuer gesichert"

  • „das Feuer mit Hilfe des Feuerlöschers gelöscht“................................386**
  • „Feuerlöscher nicht genutzt,weil er nicht funktionierte“.........................386**
  • „Feuerlöscher nicht genutzt,weil mir die Sicherheit wichtiger war“.........338**
  • „Feuerlöscher nicht genutzt,weil ich mir die Bedienung nicht zutraute“..386**
  • „Feuerlöscher nicht genutzt,weil das Feuer schon zu groß war“............244*

__________
Anmerkung:

  • **die Spearman’s-Rang-Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 signifikant (2-seitig)
  • *die Spearman’s-Rang-Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 signifikant (2-seitig)


Es scheint verschiedene Gründe zu geben, warum Personen Räume gegen Feuer sichern (z. B. Türritzen abdichten). Meistens hängt dieses Verhalten mit einer fehlenden Nutzung des Feuerlöschers zusammen, etwa, weil das Feuer schon zu groß war. Insbesondere scheint die Sicherung der Räume gegen das Feuer dann wichtig, wenn der Feuerlöscher nicht genutzt werden konnte, weil er nicht funktionierte oder weil die Person sich dessen Bedienung nicht zutraute. Die Werte beziehen sich auf die 27% der Fälle, in denen ein Feuerlöscher vorhanden war.


Weitere Zusammenhänge

In der Untersuchung ergaben sich noch Korrelationen zwischen einzelnen Fragen bzw. untersuchten Faktoren. So hängt die Reaktion „Wichtige Gegenstände gerettet“ mit der „Nutzung des Feuerlöschers“ (r =. 256*) zusammen 5. Die Personen, die wichtige Gegenstände gerettet hatten, nutzten also auch häufiger den Feuerlöscher. Wenn der Feuerlöscher nicht funktionsfähig war korrelierte das mit dem Verhalten der Person, andere Löschmittel zu wählen (r = .376**). Es ergab sich eine Negativkorrelation zwischen „Angst um Leben anderer“ und „Feuerlöscher genutzt“ in Höhe von -.380**. Das bedeutet, dass die Personen, die große Angst um das Leben anderer hatten, selbst eher keine Löschmaßnahmen ergriffen, sondern andere betroffene Personen benachrichtigt hatten. Weiterhin gab es einen negativen Zusammenhang zwischen „Angst um Leben anderer“ und „eigene Sicherheit ist wichtiger“ in Höhe von -.345**. Das heißt, dass die Betroffenen, die große Angst um das Leben anderer hatten, eher weniger auf die eigene Sicherheit bedacht waren.

In der Untersuchung wurden, wie bereits angesprochen, psychisch relevante Diagnosemerkmale erhoben. Die spontane Reaktion, während des Brandes Hilfe zu rufen, korreliert mit einer akuten Belastungsreaktion der Person (ASDS - Fragebogen zur Akuten Belastungsstörung / Anhang II) einige Tage nach dem Brand (r = -.307*). Dieser Negativzusammenhang zeigt, dass Personen, die aktiv Hilfe gerufen haben, später weniger akute Traumareaktionen zeigen. Die Personen, die keine Hilfe riefen, wiesen häufiger akute Belastungssymptome auf, etwa wiederkehrende Erinnerungsbilder des Brandes oder deutliche Symptome von Angst. Möglicherweise könnte das mit ihrer Selbstwirksamkeit zusammenhängen, die bei den Personen höher sein könnte, die das Gefühl hatten, aktiv etwas getan zu haben. Dies stellt möglicherweise einen Schutzfaktor im Hinblick auf die Belastung dar.


Vorhersagen (Regressionen)

Prognose der Belastungsschwere durch Reaktionen auf den Brand

Die Schwere der traumatischen Symptome ließ sich durch bestimmte spontane Reaktionen auf das Brandereignis vorhersagen. Es sind drei Reaktionsarten, die sich am ehesten auf eine spätere Belastung (IES - Fragebogen zur PTBS / Anhang II) auswirken:


  • 1. Reaktion:

„Andere Betroffene verständigt“. Personen, die andere Betroffene verständigt haben, zeigen später weniger Anzeichen von Belastung. Im Umkehrschluss bedeutet das eine stärke Traumabelastung (PTBS), wenn kaum andere Personen verständigt worden waren.


  • 2. Reaktion:

„Brand bekämpft“. Personen, die den Brand bekämpft hatten, waren später tendenziell weniger belastet. Hatten sie den Brand nicht bekämpft, führte das später eher zu einer Belastungssymptomatik.


  • 3. Reaktion:

„Fremde Hilfe abgewartet“. Die Personen, die (passiv) fremde Hilfe abgewartet hatten, wiesen später in der Tendenz gehäuft Belastungssymptome auf.


Diese drei Vorhersagegrößen können zu 22% die spätere Belastungsschwere prognostizieren. Insbesondere die Reaktion „andere Betroffene verständigt“ erwies sich als bedeutsame Vorhersagegröße für eine spätere Belastungssymptomatik. Die beiden anderen vorgenannten Reaktionsarten (2. und 3.) wurden in der Regressionsberechnung nicht signifikant, zeigen jedoch eine Tendenz an, dass sie eine spätere Belastungssymptomatik begünstigen.


Prognose der Depressionsneigung durch Reaktionen auf den Brand

Weiterhin könnten bestimmte Reaktionen während des Brandes spätere depressive Symptome (BDI - Depressions-Fragebogen / Anhang II) begünstigen.

  • 1. Haben Personen (passiv) fremde Hilfe abgewartet, erwies sich das als bedeutsamer Risikofaktor für depressive Reaktionen mindestens vier Wochen später.
  • 2. Riefen die Betroffenen (aktiv) Hilfe herbei, führte das später tendenziell zu geringerer Depressionsneigung.






Zusammenfassung hinsichtlich der Fragen aus der Brandursachenbearbeitung

1. Frage: Wie werden Personen auf einen Brand aufmerksam?

In den meisten Fällen bemerken sie den Brand selbst oder werden durch andere alarmiert; durch Rauchmelder wurden nur 3% der Personen informiert.


2. Frage: Wovon hängt es ab, wie sie handeln?

  • Obwohl in den meisten Fällen nicht statistisch signifikant, zeigen sich in den Reaktionen auf den Brand

Geschlechtsunterschiede:

    • Männer scheinen tendenziell handlungsorientierter zu sein (Brandbekämpfung/ Retten von Gegenständen/ Sichern von Räumen).
    • Frauen ist im Brandfall scheinbar eher die Flucht wichtiger sowie die Benachrichtigung anderer – darüber hinaus neigen sie zum (passiven) Warten auf fremde Hilfe.
  • Der Ort des Brandes könnte ebenfalls Reaktionen beeinflussen. Es ergab sich ein bedeutender Zusammenhang zwischen dem Brandort und der Reaktion, andere zu verständigen 6. Beim eigenen Wohnort werden anscheinend häufiger andere Personen vor dem Feuer gewarnt, als wenn das Feuer an der Arbeitstelle ausbricht. Darüber hinaus kam es eher zur Brandbekämpfung, wenn das Feuer am eigenen Wohnort ausbrach 7.
  • Es ist wahrscheinlich, dass noch andere Faktoren bedeutsam sind, die in dieser Untersuchung nicht überprüft werden konnten, beispielsweise Vorerfahrungen und die Persönlichkeit der betroffenen Person.




3. Frage: Welche Güterabwägungen spielen eine Rolle? Aufgrund der Untersuchungsergebnisse lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Zu vermuten ist, dass Faktoren wie die Größe des Brandes, die Einschätzung der eigenen Sicherheit bzw. der Sicherheit anderer in die Handlungsentscheidung mit einbezogen werden.


4. Frage: Standen Löscheinrichtungen zur Verfügung? In etwa drei Viertel der Fälle war kein Feuerlöscher vorhanden.


5. Frage: Wie wurden Löscheinrichtungen genutzt?

  • Falls ein Feuerlöscher vorhanden war (in 27% der Fälle), wurde er nur selten genutzt (in 8% der Fälle) und noch seltener konnte ein Feuer damit gelöscht werden (in 3% der Fälle).
  • Es gab vielfältige Gründe für die Nichtbenutzung des Feuerlöschers: ein Fünftel der Betroffenen wählten beispielsweise andere Löschmittel, 15% der Personen wussten nicht, ob Feuerlöscher zur Verfügungen standen usw.





Fazit unter Opferschutzaspekten

  • • Viele Brandgeschädigte bzw. Augenzeugen sind nach dem Brand psychisch belastet.
  • • Oft haben nur direkt Geschädigte einen Kontakt zur Polizei, damit ist für Zeugen eine Nachsorge häufig nicht gewährleistet (z. B. bei technischer Ursache).
  • • Sinnvoll könnten schriftliche Informationen (Faltblätter) für die Betroffenen sein, die erste Einsatzkräfte aushändigen.


U. Rutschkowski, KHK’in/Dipl. Psych.
(in Zusammenarbeit mit Janina Ruthe, Dipl. Psych.)


Fußnoten:

1

  • Diplomarbeit 1: „Kognitionen und Reaktionen von Brandopferzeugen: Ist kognitive Vermeidung ein Prädiktor für eine posttraumatische Belastungssymptomatik?“
  • Diplomarbeit 2: „Auswirkungen von Brandereignissen auf Opferzeugen - Aspekte der emotionalen Verarbeitung als Prädiktoren einer posttraumatischen Belastungsstörung“



2 American Psychiatric Association (APA). (1994). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (4th ed.). Washington, DC: American Psychiatric Association.

3 Dilling, H., Mombour, W., & Schmidt, M. H. (2000). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Bern: Huber.

4 Statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen „Geschlecht“ und „Reaktion Brandbekämpfung“

5Statistisch bedeutsamer Zusammenhang = signifikante Korrelation. Die Signifikanz des Zusammenhangs ist an der Kennzeichnung „*/**“ erkennbar. Die Stärke des Zusammenhanges drückt sich in dem Zahlenwert des Korrelationskoeffizienten (r) aus (z. B. bedeutet der Wert „.376**“ einen Zusammenhang von mittlerer Stärke auf einem Signifikanzniveau von einem Prozent).

6Statistisch bedeutsamer Zusammenhang (=signifikante Korrelation) von r = -.308*. Die Signifikanz des Zusammenhangs ist an der Kennzeichnung „*/**“ erkennbar. Die Stärke des Zusammenhanges drückt sich in dem Zahlenwert des Korrelationskoeffizienten (r) aus (je höher der Wert, desto stärker der Zusammenhang). Der Wert „-.301*“ bedeutet einen negativen Zusammenhang von mittlerer Stärke auf einem Signifikanzniveau von fünf Prozent.

7Statistisch bedeutsamer negativer Zusammenhang von mittlerer Stärke: r = -.330** auf einem Signifikanzniveau von einem Prozent.



Anhang I: Seiten 1 – 3 der Fragebögen zum ersten Messzeitpunkt Datum: ___

Beschreiben Sie bitte kurz das Brandereignis, das Sie erlebt haben: __________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________




Anhang III:

Auszug aus der Diplomarbeit von Janina Ruthe mit dem Titel:

„Kognitionen und Reaktionen von Brandopferzeugen: Ist kognitive Vermeidung ein Prädiktor für eine posttraumatische Belastungssymptomatik?“


Zusammenfassung:

Bestimmte Faktoren nehmen Einfluss darauf, ob sich nach einem traumatischen Ereignis eine Belastungssymptomatik entwickelt oder nicht. Bislang wurde eine Vielzahl von Risikofaktoren identifiziert, die mit dem Auftreten einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in Verbindung stehen könnten. In der vorliegenden Arbeit wurde vor allem der Frage nachgegangen, ob Aspekte kognitiver Vermeidung geeignete Prädiktoren einer PTBS darstellen. Dabei standen Gedankenunterdrückung, Grübeln und peritraumatische Dissoziation (eine Art mentaler „Abspaltung“ während des Ereignisses) im Fokus der Untersuchung (Horowitz, 1975; Foa & Kozak, 1986; Brewin et al., 1996; Ehlers & Clark, 2000).
Die Beziehung zwischen den Risikofaktoren und posttraumatischer Belastungsstörung wurde anhand einer nicht-klinischen Stichprobe zu zwei Messzeitpunkten untersucht. Es handelte sich um Personen, die im Zeitraum von Mai bis Oktober 2007 Zeuge bzw. Opfer eines Brandes im Regierungsbezirk Detmold geworden waren. Um Prognosen hinsichtlich der späteren Belastungssymptomatik machen zu können, wurden zwei Messungen vorgenommen. Zum ersten Messzeitpunkt gingen die Daten von 67 Personen ein, zum zweiten Zeitpunkt die von 52 Teilnehmern.


Die Untersuchung ergab, dass sowohl „kognitive Vermeidung“, als auch die Unterkonstrukte „Gedankenunterdrückung“, „Grübeln“ und „peritraumatische Dissoziation“ signifikante Prädiktoren für eine nachfolgende Belastungssymptomatik darstellten. Dabei nahm „kognitive Vermeidung“ erwartungsgemäß den größten Einfluss. Aber auch Grübeln und Gedankenunterdrückung erwiesen sich als starke Vorhersagegrößen. Es konnte auch ein bestimmter Zusammenhang zwischen diesen beiden Prädiktoren und der PTBS-Schwere festgestellt werden. Die Variable Grübeln vermittelte in der vorliegenden Untersuchung zwischen anfänglicher Gedankenunterdrückungstendenz und späterer Belastungssymptomatik. Peritraumatische Dissoziation konnte zwar weniger Varianz aufklären, zeigte aber trotzdem prädiktive Wirkung für die Störungsausbildung. Diesbezüglich ergaben sich außerdem Hinweise für die Relevanz des subjektiven Belastungsgrades und dysfunktionaler Attributionen.


Anhang IV:

Auszug aus der Diplomarbeit von Ursula Rutschkowski mit dem Titel:

„Auswirkungen von Brandereignissen auf Opferzeugen Aspekte der emotionalen Verarbeitung als Prädiktoren einer posttraumatischen Belastungsstörung“


Zusammenfassung:

Eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt sich bei Menschen, die ein traumatisches Erlebnis hatten, nicht zwangsläufig. Im Verlauf des Prozesses der Traumaverarbeitung wirken verschiedene Faktoren auf die betroffene Person ein und können die Ausbildung der Störung fördern. In der vorliegenden Untersuchung wurden Aspekte der emotionalen Verarbeitung hinsichtlich einer solchen Prädiktorwirkung überprüft: peritraumatische Dissoziation, emotionale Dysregulation in den Facetten von emotionaler Taubheit, Anhedonie und maladaptiver Emotionsregulation, sowie eine negative Bewertung von Emotionen. Die untersuchten Personen waren materiell Geschädigte oder Augenzeugen von Brandereignissen, meist Wohn- oder Geschäftshausbränden. Die Untersuchung der Teilnehmer erfolgte mittels Selbstberichtsfragebögen zunächst kurz nach dem Brandereignis (N=67) und zu einem zweiten Messzeitpunkt (N=52) mindestens vier Wochen später. Alle Aspekte der emotionalen Verarbeitung zeigten sich prädiktiv für die Störungsausbildung. Peritraumatische Dissoziation erwies sich wider Erwarten als weniger starker Prädiktor und steht in Zusammenhang zu Übererregung als noch stärkerer Vorhersagegröße, die möglicherweise größeren Einfluss auf Personen mit wenig dissoziativen Reaktionen ausübt. Emotionale Taubheit zeigte sich im Vergleich zu Anhedonie und maladaptiver Emotionsregulation als stärkster Prädiktor, wobei Anhedonie emotionale Taubheitsreaktionen durch den Wegfall einer kompensatorischen Wirkung positiver Affekte noch fördern könnte. Eine maladaptive Emotionsregulation erwies sich auch als prädiktiv für stärkere Ablenkungsmaßnahmen, die betroffene Personen zur Kompensation ihrer zu geringen Affektregulation nutzen. Die Ergebnisse bestätigen die Annahmen aus der Traumaforschung, dass es sich bei diesen Prädiktoren um dysfunktionale Bewältigungsstrategien handelt, mit denen Betroffene versuchen, ihren belastenden Emotionen zu entgehen. Dadurch unterbleibt eine emotionale Verarbeitung der Traumaerfahrung und die Ausbildung und Aufrechterhaltung der Störung wird noch begünstigt. Als stärkster Prädiktor erwies sich in dieser Untersuchung der kognitive Aspekt der emotionalen Reaktionen, die Bewertung der Emotionen, was die Thesen des kognitiven Erklärungsmodells der posttraumatischen Belastungsstörung (Ehlers & Clark, 2000) über die besondere Rolle der negativen Bewertung von Traumasymptomen stützt. Relativiert wurde die Bedeutung der hier untersuchten Vorhersagegrößen durch andere etablierte Prädiktoren. Im Vergleich zu akuter Belastungsreaktion, Depression oder objektiver und subjektiver Belastung war ihre Vorhersagekraft nicht länger signifikant. In Anbetracht der Komplexität des Traumaverarbeitungsprozesses sollte dies jedoch nicht dazu führen, die Bedeutung der emotionsbezogenen Prädiktoren zu unterschätzen, die in ihrer Einzelbetrachtung hier eine zum Teil erhebliche Prädiktorwirkung für die posttraumatische Belastungsstörung bewiesen haben.


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