Brände durch Kurzschlüsse, Kontaktprobleme und Fehlplanungen

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Autor: Diplom-Ingenieur Herbert Schmolke, VdS Schadenverhütung GmbH


1. Können Kurzschlüsse in elektrischen Anlagen Brände verursachen?

1.1 Einführung

Vom Gefühl her würden bei einer solchen Frage wahrscheinlich die meisten mit einem klaren JA antworten. Natürlich ist der Kurzschluss eine Gefahr! Hört man nicht häufig genug, dass Brände durch Kurzschlüsse verursacht wurden? Ist das nicht eine überflüssige Frage?

Wenn man jedoch mit genügender Sachkenntnis näher hinschaut, ist die Antwort gar nicht mehr so eindeutig. Vorausgesetzt, dass die ausführende Fachfirma bei der Elektroinstallation die üblichen Regeln der Technik beachtet hat, stellt der reine Kurzschluss tatsächlich keine herausragende Gefahr dar. Jeder Stromkreis innerhalb eines Gebäudes wird in der Regel durch eine sogenannte Überstrom-Schutzeinrichtung (Sicherung, Sicherungsautomat, Leitungsschutzschalter) geschützt, die einen zu hohen Strom teilweise im Bruchteil einer Sekunde abschaltet. Ein Brand könnte somit im Grunde gar nicht erst entstehen.


Es bleibt festzustellen:

Übliche Kurzschlüsse innerhalb der Kabel- und Leitungsanlage sowie in den elektrischen Geräten stellen genau genommen aus Sicht der Brandschadenverhütung eher den „Idealfall“ dar, denn hier schalten (bei korrekter Ausführung der Elektroinstallation) die Überstrom-Schutzeinrichtungen/ Fehlerstromschutzschalter in der Regel schnell genug ab.


Was macht den Strom also so gefährlich? Immerhin weisen sämtliche statistische Untersuchungen zu diesem Thema nach, dass ca. ein Drittel aller Brände durch die elektrische Anlage bzw. durch die elektrischen Geräte verursacht wird.

Tatsächlich geht die Gefahr nicht von reinen Kurzschlüssen aus, bei denen unter Spannung stehende Teile aneinander oder z. B. mit dem Gehäuse von Geräten in Berührung kommen. Der dadurch entstehende Fehlerstrom ist meist hoch genug für die vorgeschaltete Überstrom-Schutzeinrichtung. Viel problematischer ist es, wenn der durch den Fehler verursachte Fehlerstrom zusätzliche Widerstände überwinden muss und deshalb nicht hoch genug ausfällt. Grund hierfür können Übergangswiderstände an der Fehlerstelle, z. B. in Form von Lack oder Farbe, sein. Oder die fehlerhafte Verbindung kommt im elektrischen Gerät zustande, sodass der Fehlerstrom zum Teil über den Nutzwiderstand im Gerät fließt. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die den Fehlerstrom reduzieren können. Sogar der brandschutztechnisch überaus gefährliche Lichtbogen, der bei einem Fehler in der elektrischen Anlage nicht selten auftritt, stellt einen Widerstand dar, der den Fehlerstrom begrenzt. Je geringer der Fehlerstrom jedoch ist, um so problematischer ist seine Erfassung und damit auch seine Abschaltung.


Stromverteilerkasten aus den 50er Jahren
Foto: Rainer Schwarz

1.2 Der widerstandsbehaftete Kurzschluss

In der Praxis stellt sich, wie zuvor beschrieben, sehr häufig ein sogenannter „widerstandsbehafteter Fehler- bzw. Kurzschlussstrom“ ein. Deshalb gibt es auch genügend Beispiele, bei denen die Elektroinstallation zur Brandursache wurde. Zwei Dinge müssen in diesem Zusammenhang beachtet werden:

  • a) Der Fehlerstrom ist sehr häufig zu klein, um die Überstrom-Schutzeinrichtung schnell genug zum Abschalten zu bringen.
  • b) Auf der anderen Seite tritt an der Fehlerstelle meist eine beachtliche thermische Belastung auf, die sehr schnell zu einem offen Feuer bzw. zu einem Brand führen kann.

Die Abschaltbedingungen für die Überstrom-Schutzeinrichtungen sind in den Normen festgelegt. Diese Normen beschreiben jedoch nur den zuvor erwähnten „reinen Kurzschluss“. Dagegen ist unsere elektrische Anlage also weitgehend geschützt. Über den widerstandsbehafteten Kurzschluss wird in den Normen so gut wie nichts gesagt. Er muss durch eine entsprechend sichere Installation sowie durch intakte elektrische Geräte vermieden werden. In Gewerbe und Industrie kommt noch die gesetzlich verankerte Anforderung, dass die elektrische Anlage sowie die elektrischen Geräte wiederkehrend geprüft werden müssen. Im privaten Wohnungsbau gibt es eine solche Forderung allerdings nicht.

Natürlich muss es möglich sein, auch Ströme abzuschalten, die nur wenig über dem Betriebsstrom liegen, so z. B. bei einer konstanten Überlastung, bei der zu viele Geräte über eine Mehrfachsteckdose an einer fest installierten Steckdose betrieben werden. Allerdings hat dieser Schutz seine Grenzen:

  • a) Übliche Überstrom-Schutzeinrichtungen arbeiten nach dem Prinzip: je höher der Strom, um so schneller die Abschaltung. Das bedeutet, dass durchaus brandgefährliche Fehlerströme, die aus irgendeinem Grund nicht sehr hoch ausfallen, unter Umständen viel zu spät abgeschaltet werden. Schlimmstenfalls können hier bis zur Abschaltung viele Sekunden und Minuten vergehen.
  • b) Bei einem Strom, der lediglich im Bereich bis 45 % oberhalb des vorgesehenen Betriebsstroms liegt, ist die Abschaltung überhaupt nicht mehr sicher gewährleistet. Hier findet keine Abschaltung in einer vorgegebenen Zeit statt. Der möglicherweise brandgefährliche Fehlerstrom kann unter Umständen stundenlang fließen, ohne dass eine Abschaltung erfolgt.


Beispiele:

Ein Sicherungsautomat (Leitungsschutzschalter) mit einem Nennstrom von 16 A kann bei einem Strom zwischen 16 A bis 23 A nicht genügend sicher abschalten. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Fehlerstrom von 20 A an der Fehlerstelle eine Leistung von 4.600 Watt (4,6 kW) in Wärme umsetzen könnte, ohne dass der Sicherungsautomat in einer genügend geringen Zeit abschaltet.


Achtung:

Versuche haben gezeigt, dass eine Leistung von 60 W (unter besonders ungünstigen Fällen sogar noch weniger) bereits als Brandursache infrage kommt.


1.3 Wie man diesem Problem begegnen kann

Natürlich gibt es keine Patentlösungen, die eine hundertprozentige Sicherheit vorgaukeln. Die gibt es nämlich nicht. Allerdings können drei Dinge das Risiko bereits enorm reduzieren:


  • a) Keine defekten oder „altersschwachen“ Geräte verwenden

„Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“, sagt ein deutsches Sprichwort.
Von einem defekten Gerät geht immer eine Gefahr aus, weil sämtliche Sicherheitsanforderungen, die der Hersteller vorgesehen hat, infrage gestellt sind. Egal, ob es um Löcher oder Risse im Gehäuse eines Gerätes geht, um eine defekte Anschlussschnur, bei der die Aderleitungen im Innern der Mantelleitung bereits sichtbar herausragen oder um einen defekten Stecker. Häufig hilft sich der Nutzer selbst und flickt mit Isolierband, Pflaster oder Drähten das defekte Teil.
Dadurch werden mögliche Gefahren jedoch geradezu heraufbeschworen.


  • b) Arbeiten an der elektrischen Anlage dem Fachmann überlassen

Häufig prahlt der elektrotechnische Laie mit Aussagen wie: Das kann ich schon lange. Das ist doch kein Problem. Dafür brauche ich keinen „Strippenzieher“.

Bei der zum Teil sehr umfangreichen Ausbildung von Elektrofachkräften wird ein großer Teil darauf verwendet, bei den Auszubildenden ein Problembewusstsein zu schaffen. Dieses Wissen wird dem Menschen nicht mit in die Wiege gelegt. Dazu kommt, dass er keine Antenne für die elektrische Energie besitzt. Bekommt er sie zu spüren, dann ist es meist zu spät. Die Gefahren, die von der elektrischen Energie ausgehen, ist überaus vielfältig und werden in einem umfangreichen Vorschriftenwerk (VDE-Normen) beschrieben.
Wer behauptet, auch ohne Ausbildung hier alles im Griff zu haben, ist blauäugig und zudem fahrlässig.

Bei allen Arbeiten, bei denen Veränderungen an der elektrischen Anlage vorgenommen werden (beispielsweise das Verlegen neuer Steckdosen oder von Beleuchtungsauslässen) ist eine Fachfirma zu beauftragen.

Im Übrigen ist dies auch die Forderung der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) im § 13. Diese NAV liegt so gut wie jedem Energielieferungsvertrag zugrunde. Der Nutzer der elektrischen Energie verpflichtet sich damit, stets eine Fachfirma für derartige Arbeiten zu beauftragen.


  • c) Vorsehen einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung

Nicht alle Fehlerströme können durch eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung erfasst werden. Tatsächlich werden durch diese Schutzeinrichtung lediglich die Fehlerströme registriert und abgeschaltet, die über den Schutzleiter fließen. Ein widerstandsbehafteter Kurzschluss, der sich z. B. nur im Geräteinnern zwischen unter Spannung stehenden Teilen ausbildet, würde somit zunächst gar nicht erfasst. Da ein Schutzleiter jedoch in der gesamten Zuleitung vorhanden ist und bei vielen Geräten mit deren Gehäuse verbunden wird, ist die Chance recht groß, dass bei einem Fehler, der zu einem Fehlerstrom führt, sofort bzw. früher oder später auch der Schutzleiter betroffen ist.

Eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung überwacht konstant den angeschlossenen Stromkreisen mit allen in diesem Stromkreis betriebenen elektrischen Geräten. Nach den neuesten VDE-Normen sind solche Schutzgeräte ohnehin in fast allen Stromkreisen, in denen sich Steckdosen befinden, vorgeschrieben. Wichtig ist aber, dass man nicht eine einzige Schutzeinrichtung für alle oder zu viele Stromkreise vorsieht, sonst sind die stets hohen Ansprüche an eine Versorgungssicherheit gefährdet.

Allerdings gilt die Forderung nach Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen in Streckdosenstromkreisen nur für neu zu errichtete elektrische Anlagen. Eine Nachrüstpflicht ist aus VDE-Normen nicht ableitbar. Deshalb muss dringend empfohlen werden, eine solche Nachrüstung freiwillig vorzunehmen. Dabei sollten auch darüber nachgedacht werden, ob nicht auch die übrigen Stromkreise, an die keine Steckdosen betrieben werden, durch eine solche Schutzeinrichtung geschützt werden können.


Als Schlusssatz kann formuliert werden:

  • - Überstrom-Schutzeinrichtung schützen Kabel und Leitungen gemäß den VDE-Normen vor hohen Überströmen (Fehler- bzw. Kurzschlussströme und Überlastströme).
  • - Bei Isolationsfehlern, die einen Strom über widerstandsbehaftete Fehlerstellen verursachen, schützt eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD).


2. Ein weiteres Problem: Übergangswiderstände

Ohne Verbindungselemente funktioniert keine elektrische Anlage. Im Verlauf eines Stromkreises muss der elektrische Strom zahlreiche Verbindungselemente passieren - ganz gleich, ob es sich um den Übergang am Messerkontakt einer NH-Sicherung handelt, um Schraubverbindungen, Quetschverbindungen, schraublose oder geschraubte Klemmstellen oder um Lötverbindungen. All diese Verbindungsstellen bilden stets eine potenzielle Brandgefahr, denn an dieser Stelle wird das homogene Gefüge des Kupferleiters unterbrochen - es kommt zum Übergangswiderstand. Nur wenn dieser Übergangswiderstand in Grenzen gehalten werden kann, ist die Gefahr der Überhitzung gebannt.

Werden Klemmen nicht richtig ausgesucht oder werden bei der Montage Fehler gemacht, treten beim Betrieb zum Teil hohe thermische Belastungen auf, die nicht selten zu schadhaften Veränderungen an den Klemmen führen und sich gefährlich auswirken können.

Durch Versuche wurden an Klemmen, bei denen Leiterlockerungen herbeigeführt wurden, noch vor Ausbruch eines eventuell entstehenden Lichtbogens Temperaturen von mehreren hundert Grad festgestellt. Oft zeugen farbliche Veränderungen an den Geräten von solchen Vorgängen (Bild 1).



Diese farblichen Veränderungen sollten umgehend einem Fachmann gezeigt werden oder dazu Anlass geben, das Gerät gegen ein anderes auszutauschen. In der Regel macht die farbliche Veränderung deutlich, dass die notwendigen elektrischen Eigenschaften nicht mehr gewährleistet sind.

Fakt ist, dass eine unfachmännisch ausgeführte Klemmstelle nicht selten einen Brand verursacht hat (Bild 2).


3. Geiz provoziert eine brandgefährliche Nutzung

Häufig wird unter Kostendruck eine bestimmte Raumnutzung vorgegeben und dabei auf das Mindestmaß einer notwendigen Elektroinstallation geachtet. Nicht selten feilscht man aus Kostengründen um jede Steckdose.

Ändert sich später die Nutzung, wird sie erweitert oder der Nutzer ändert die Möblierung, entsteht häufig ein Mangel an Steckdosen. In solchen Fällen hilft sich der Nutzer, indem er sich durch „fliegende Installationen“ Abhilfe schafft. Ein derartiger Behelf ist jedoch nicht selten brandgefährlich. Verlängerungen und Mehrfachsteckdosen sollten kein Ersatz für eine feste Installation sein. Hier sollte der Architekt in Absprache mit dem Elektroplaner für flexible Lösungen sorgen.


Aber noch eine Gefahr geht von einer zu geringen Anzahl von Steckdosen und Steckdosenstromkreisen aus:
Nicht nur die Anzahl der Steckdosen wird bei der Gebäudeplanung aus Kostengründen in Frage gestellt, sondern auch die Anzahl der Stromkreise. Diese Anzahl der Stromkreise stimmt weitgehend mit der Anzahl der Abgangsleitungen von den Überstrom-Schutzeinrichtungen im Stromkreisverteiler zu den verschiedenen Anschlussstellen, Beleuchtungsauslässen und Steckdosen im Gebäude überein. Wird hier gespart, nutzt auch eine ausreichende Anzahl von Steckdosen nichts.

Der Nutzer der elektrischen Energie weiß nämlich nichts von der Anzahl der Stromkreise und kann daher die Gefahr nicht einschätzen, die von einer zu geringen Anzahl ausgehen kann. Benötigt er also zusätzliche Steckdosen, so wird die vorhandene Anzahl einfach erhöhen, indem, wie zuvor erwähnt, Verlängerungen mit Mehrfachsteckdosen eingesetzt werden, über die zusätzliche elektrische Verbrauchsmittel betrieben werden können. Die Zuleitung zu der Steckdose in der Wand, in die die Mehrfachsteckdose eingesteckt wurde, muss allerdings die Summe aller Ströme eines Stromkreises führen. Genau das wird dem Nutzer jedoch nicht bewusst, weil für ihn die Stromquelle häufig die jeweilige Steckdose ist, die er gerade benutzt.

Allerdings kann schon bei zwei leistungsstarken Geräten eine üblicherweise in der Elektroinstallation verwendete Leitung überlastet werden – und dies in der Regel so, dass die vorge-schaltete Überstrom-Schutzeinrichtung die Überlastung viel zu spät bemerkt (siehe Abschnitt 1.2 dieses Artikels). Natürlich ist das brandgefährlich.


Hier heißt die Devise:
Wer bei der Planung eines Gebäudes bei der Anzahl der Steckdosen und Stromkreise knausert, plant die potenzielle Brandgefahr automatisch mit ein! Bei Erweiterungen oder Veränderungen in der elektrischen Anlage sollte dringend darüber nachgedacht werden, die Anzahl der Stromkreise möglichst zu erhöhen.


Quelle:


siehe auch:



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