Staatsanwaltschaft

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Die Staatsanwaltschaft (StA) in Deutschland ist eine weisungsgebundene Behörde, die für die Strafverfolgung und Strafvollstreckung|-vollstreckung zuständig und als solche ein Teil der Exekutive ist. Sie ist in der Behörden- und Ministerialhierarchie letztlich weisungsabhängig vom Justizministerium|Justizminister und wird auch mit dem Begriff Anklagebehörde bezeichnet.


Aufgaben

Brandstiftung - Verbrechen gem. § 306 StGB.
Die Kriminalpolizei übernimmt als Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft die Klärung zur Brandursache.
Foto: Rainer Schwarz
manche Brandstifter haben deutliche Brandspuren in den Haaren.
Ein Beschuldigter einer Straftat wird als solcher belehrt, da hier ein Anfangsverdacht besteht
Vermutlich beantragt die Staatsanwaltschaftschaft einen Haftbefehl.
Foto: Rainer Schwarz

Der Staatsanwaltschaft obliegt die Leitung des Ermittlungsverfahrens („Herrin des Ermittlungsverfahrens“), die Erhebung der Anklage beim Strafgericht, die Vertretung der Anklage und nach einem Urteil (Rechtswissenschaft) im Erwachsenenstrafrecht die Strafvollstreckung. (Ausnahme bilden hier Verurteilungen nach Jugendstrafrecht, für welche das Amtsgericht Vollstreckungsbehörde ist.)


Ermittlungsbehörde

Sobald die Staatsanwaltschaft durch Strafanzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zum Zwecke der Entschließung darüber, ob Anklage|öffentliche Klage zu erheben sei, die Aufgabe, den Sachverhalt zu erforschen 160 StPO, Ermittlungsverfahren).
Dabei soll sie Gesichtspunkte ermitteln, die für das Ermessen des Gerichts zur Bestimmung der Rechtsfolge der Tat wichtig sind. Nach Absatz 2 hat die Staatsanwaltschaft "nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen", und diese Umstände und Beweise später einer Bewertung zu unterziehen.
Daher bezeichnete der spätere Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, Hugo Isenbiel, sie im Dezember 1900 in einem Strafprozess als „objektivste Behörde der Welt“. In die Fachliteratur führt der Strafrechtslehrer Franz von Liszt diese Bezeichnung 1901 ein, jedoch verneinend, indem er entgegenhält, dass die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden sei, siehe Originalzitat. Sie findet noch heute Verwendung, wobei sie meist wie bei Liszt einen ironischen Ton erhält.

Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe hat die Staatsanwaltschaft die Befugnis, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art selbst vorzunehmen oder von Behörden und Beamten der Polizei / Kriminalpolizei vornehmen zu lassen.
Die Polizei / Kriminalpolizei ist Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft.

Einige Standardbefugnisse der Staatsanwaltschaft sind in der Strafprozessordnung (Deutschland) besonders geregelt. Für viele Maßnahmen wird jedoch eine Eingriffsermächtigung, ein (ermittlungs-)richterlicher Beschluss (Gericht) benötigt. Dies gilt insbesondere für Ermittlungsmaßnahmen, die Grundrechte (Deutschland) beschränken, wie etwa die Durchsuchung (Recht), den Erlass eines Haftbefehls oder die Telekommunikationsüberwachung|Überwachung der Telekommunikation. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wird gegenüber der Polizei auf Anfrage bzw. Anordnung auch die Höhe der Sicherheitsleistung festgesetzt. Die Bediensteten der Staatsanwaltschaft sind in besonderen Fällen auch im Außendienst tätig, z. B. bei Durchsuchungen größeren Ausmaßes oder größerer Bedeutung oder bei schweren Kriminalfällen.

Da die Staatsanwaltschaft so gut wie keine eigenen Organe zur Durchführung von Ermittlungsverfahren hat, wird von ihr bisweilen als „Kopf ohne Hände“ gesprochen. Die erforderliche „Handarbeit“ wird von Beamten anderer Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei / Kriminalpolizei, als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft, geleistet ( § 152 Gerichtsverfassungsgesetz). In der Praxis ist es so, dass die Polizei in den Fällen der Klein- und mittleren Kriminalität innerhalb einer Frist von etwa zehn Wochen Ermittlungen durchführt und die Akten dann der Staatsanwaltschaft mehr oder weniger fertig ermittelt vorlegt. Diese entscheidet dann, ob weitere Ermittlungen notwendig sind oder ob sie Abschlussvermerk sind und die Sache Einstellung des Strafverfahrens (Deutschland) oder Anklage erhoben wird. In einem Ermittlungsverfahren, das von Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft betrieben wird, obliegt ihr die Sachleitungsbefugnis („Herrin des Verfahrens“).

Im Steuerstrafrecht (Deutschland) ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft weniger deutlich, weil Finanzamt, Hauptzollamt, Familienkasse oder Bundeszentralamt für Steuern Aufgaben der Strafverfolgung wahrnehmen.


Ermittlungspflicht bei Anfangsverdacht

Nach dem Legalitätsprinzip ist die Staatsanwaltschaft beim Vorliegen eines Anfangsverdachts gem. § 152 Abs. 2 StPO zur förmlichen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet. Die Staatsanwaltschaft hat hierbei den zur Anzeige gebrachten Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.


Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung

Bei erheblichen Straftaten gegen höchstpersönlichen Rechtsgüter besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter.


Anklagebehörde

Kommt die Staatsanwaltschaft durch ihre Ermittlungen zu der Überzeugung, dass ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht, reicht sie eine Anklageschrift beim zuständigen Gericht ein (Legalitätsprinzip). Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Die Staatsanwaltschaft kann jedoch, teilweise nur mit Zustimmung des Gerichts, von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, auch wenn die Ermittlungen genügend Anlass zur Anklageerhebung böten, falls verschiedene in der Strafprozessordnung näher erläuterte Gesichtspunkte schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (Opportunitätsprinzip).

Entgegen einer verbreiteten Meinung ist die Staatsanwaltschaft nicht gezwungen, unter allen Umständen eine Verurteilung des Angeklagter|Angeklagten anzustreben. Sie hat vielmehr auch zugunsten des Beschuldigten bzw. Angeklagten zu ermitteln. Sie ist keine Partei (Recht) im Strafprozess und arbeitet weder mit dem Gericht zusammen noch gegen den Angeklagten oder seinen Strafverteidiger (Deutschland).

In der Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft den strafprozessualen Verhandlungsgegenstand fest (§ 200 StPO), der der gerichtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden soll (Immutabilitätsprinzip).

In dem gerichtlichen Verfahren, das sich an die Anklageerhebung anschließt (Zwischen- und Hauptverfahren), ist die Staatsanwaltschaft zwingende Verfahrensbeteiligte.


Vollstreckungsbehörde

Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 451 Strafprozessordnung (Deutschland)|StPO und § 4 Strafvollstreckungsordnung (§§ URL|2=http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_13072011_430022R52002009.htm%7C3=StVollstrO) auch Vollstreckungsbehörde. In dieser Funktion überwacht sie die Vollstreckung rechtskräftiger Strafurteile. Dazu gehört die Überwachung der Zahlung von Geldstrafen und Zahlungsauflagen. Sie lädt Personen, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, sich aber noch auf freiem Fuß befinden, zum Haftantritt nach § 27 StVollstrO. Sie prüft, ob dieser Ladung Folge geleistet wurde, und erlässt gegebenenfalls einen Vorführungs- oder Haftbefehl nach § 33 StVollstrO. Sie überwacht nach § 36 StVollstrO, dass Art und Dauer der Strafhaft dem Urteil entsprechen. Sie kümmert sich nach §§ 60 ff StVollstrO um die Einziehung und Verwertung oder Vernichtung von Tatwaffen, Diebesgut und Ähnlichem.


Aufgaben außerhalb des Strafrechts

In Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 115 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Verkehr mit Gefangenen) und § 20 Rechtsdienstleistungsgesetz (unerlaubte Rechtsdienstleistung und Ähnliches) ist die Staatsanwaltschaft die zuständige Verwaltungsbehörde nach § 36 OWiG.

In Zivilsachen wirkt die Staatsanwaltschaft bei den Verfahren zur Todeserklärung nach §§  § 16 Abs. 2, § 22, § 30 Abs. 1 Verschollenheitsgesetz im Rahmen der Freiwillige Gerichtsbarkeit (Deutschland) (Aktenzeichen (Deutschland): Hs) mit. Außerdem vertritt die (General-)Staatsanwaltschaft teilweise Bund und Länder in Zivilprozessrecht (Deutschland) gegen den Justizfiskus. In Ehesachen ist die Mitwirkung seit 1. Juli 1998 entfallen.


Organisation

Rechtsgrundlagen für die Arbeit der Staatsanwaltschaft sind in erster Linie die StPO und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Diese statten die Staatsanwaltschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit weitreichenden Befugnissen aus. Die Beamten, die diese besonderen Aufgaben und Befugnisse wahrnehmen, sind der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof|Generalbundesanwalt, Bundesanwälte, Staatsanwalt, Amtsanwälte und ggf. Rechtsreferendare.


Örtliche Zuständigkeit

Die Staatsanwaltschaften haben ihren Sitz dort, wo auch die Landgerichte, die Oberlandesgerichte (dort mit der Bezeichnung Generalstaatsanwaltschaft) und der Bundesgerichtshof (dort mit der Bezeichnung Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof) bestehen. Gewöhnlich ist jede Staatsanwaltschaft gemäß § 143 Abs. 1 GVG für die Verfolgung aller Straftaten zuständig, die "im Bezirk des Gerichts […], für das sie bestellt sind", begangen wurden. Der örtliche Zuständigkeitsbezirk der jeweiligen Staatsanwaltschaft ist identisch mit dem Zuständigkeitsbezirk des jeweiligen Landgerichts. Der Zuständigkeitsbezirk einer Generalstaatsanwaltschaft ist identisch mit dem Bezirk des jeweiligen Oberlandesgerichts. Abweichend davon erstreckt sich der örtliche Zuständigkeitsbezirk von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften (siehe unten) für die entsprechende Deliktsart über mehrere Landgerichtsbezirke hinweg, in Ausnahmefällen sogar über mehrere Bundesländer hinweg.


Weisungsrecht

Die Staatsanwaltschaft ist als Organ der Exekutive von den Gerichten unabhängig und den Richtern weder übergeordnet noch unterstellt. Sie ist, im Gegensatz zu den Gerichten, mit Beamten besetzt und Hierarchie gegliedert. An ihrer Spitze steht auf Landesebene an den Landgerichten ein Leitender Oberstaatsanwalt. Die Leitenden Oberstaatsanwälte der einzelnen Staatsanwaltschaften sind einem Generalstaatsanwalt an den Oberlandesgerichten unterstellt. Für die Dienstaufsicht und sämtliche Verwaltungsangelegenheiten im Bereich der Staatsanwaltschaften ist der jeweilige Justizministerium zuständig. Innerhalb dieser Hierarchie bestehen von unten nach oben Staatsanwalt#Stellung|Berichtspflichten sowie von oben nach unten Weisungsbefugnisse. Dabei ist der Weisungsgebende nicht an die Schriftform gebunden.

Die unterschiedlichen Auffassungen zum Umfang des Weisungsrechts sind bei der Entlassung von Generalbundesanwalld Harald Range#Ermittlungen wegen Landesverrats gegen netzpolitik.org|Harald Range erneut deutlich geworden.
Auf Bundesebene besteht die Bundesanwaltschaft. Die Bundesanwälte unterstehen dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof|Generalbundesanwa. Dieser ist wiederum dem Bundesministerium der Justiz unterstellt. Das Weisungsrecht besteht nur jeweils auf Bundes- oder Landesebene, sodass die Landesebene nicht von der Bundesebene weisungsabhängig ist.


Einrichtungen

Gemäß § 141 GVG soll an jedem Gericht eine eigene Staatsanwaltschaft bestehen. Tatsächlich sind Staatsanwaltschaften aber fast ausschließlich bei den Landgerichten eingerichtet worden. Sie sind dort für das Landgericht selbst sowie für die Amtsgerichte dieses Landgerichtsbezirks zuständig. Ausnahmen finden sich in Berlin und in Frankfurt am Main, wo besondere Amtsanwaltschaften bei den Amtsgerichten eingerichtet worden sind.

Als Staatsanwaltschaft des Bundes beim Bundesgerichtshof steht die Bundesanwaltschaft unter der Leitung des Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof.


Innere Organisation

Die innere Organisation der Staatsanwaltschaften in den Ländern richtet sich nach den jeweiligen „Anordnungen über die Organisation und den Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften“ (OrgStA), die Gemeinsamkeiten, aber auch landesspezifische Besonderheiten aufweisen. Danach sind die Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten in verschiedene Abteilungen gegliedert; sehr große Behörden verfügen über Hauptabteilungen, deren Größe kleinen Behörden entspricht. Jede Abteilung hat einen Oberstaatsanwalt als Abteilungsleiter, gegebenenfalls einen oder mehrere Gruppenleiter und, je nach Größe des Aufgabengebietes, eine unterschiedliche Anzahl von Staatsanwälten.

Die Zuständigkeiten der Abteilungen bestimmen sich zumeist nach den dort zu bearbeitenden Deliktsgruppen. Es gibt Spezialabteilungen wie eine Abteilung für Kapitalverbrechen, eine Abteilung zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität, eine Abteilung, die sich ausschließlich mit der Verfolgung von Jugendstrafrecht|Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender beschäftigt und eine oder mehrere Abteilungen zur Verfolgung sogenannter „Allgemeiner Strafsachen“, also aller Delikte, die nicht in die Zuständigkeit einer der Spezialabteilungen fallen.

Innerhalb der Abteilungen führt jeder Staatsanwalt ein eigenes Dezernat. Die Verfahren werden den Dezernenten nach einem Geschäftsverteilungsplan durch den Abteilungsleiter zugeteilt und dann grundsätzlich in eigener Zuständigkeit, aber weisungsgebunden bearbeitet. Daneben sind Rechtspfleger, Geschäftsstellenbeamte, Schreibkräfte und Wachtmeister in einer Staatsanwaltschaft tätig.

In Deutschland treten Staatsanwälte und Sitzungsvertreter in Robe und mit einer weißen Krawatte oder Fliege auf. Hintergrund für die Krawattenfarbe ist ein Brauch aus dem 18. Jahrhundert, wo die weiße Krawatte besonders mutige Staatsanwälte symbolisieren sollte, die sich trauten, mit reinem Gewissen einer oft blutigen Hinrichtung aus nächster Nähe beizuwohnen.


Schwerpunktstaatsanwaltschaften

Für bestimmte Deliktstypen kann die Zuständigkeit gemäß § 143 Abs. 4 GVG über den Bezirk eines Land- oder Oberlandesgerichts hinaus auf eine sogenannte deliktspezifische Schwerpunktstaatsanwaltschaft übertragen werden. Zweck der Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften ist unter anderem die Spezialisierung auf die Verfolgung von Deliktstypen, die besondere Sachkenntnis verlangen, wie zum Beispiel Wirtschaftsstrafsachen, SED-Unrecht, den Gesundheitsbereich, oder wie 2013 gefordert für international organisierte Wettmanipulation oder Computerkriminalität.

Die fünf neuen Länder richteten nach der Deutsche Wiedervereinigung zu Beginn der neunziger Jahre Schwerpunktstaatsanwaltschaften für das SED-Unrecht ein, die wegen drastischer Personalnot die tausenden Verfahren jedoch nicht aufklären konnten. In Sachsen stellten die Justizbehörden ihre Arbeit schon 2001 ein, in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt im Jahr 2002, Thüringen 2003 und der letzte SED-Unrechtsprozess wurde am 14. Juni 2005 vom Bundesgerichtshof entschieden.
Schwerpunktstaatsanwaltschaften gibt es in folgenden Ländern: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen.

  • Bayern hat 2009 in München die erste Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Dopingdelikte gegründet. Die Staatsanwaltschaft München I ist überdies eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen. Seit 2012 ist Kempten sogar für alle entsprechenden Fälle aller 16 Bundesländer zuständig. In Würzburg sowie in Regensburg befindet sich darüber hinaus jeweils eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Steuer- und Wirtschaftsdelikte.
  • In Baden-Württemberg gibt es Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität in Stuttgart und Mannheim. In Freiburg befindet sich die bundesweit zweite Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Dopingstraftaten.
  • Brandenburg hat seit dem 11. Dezember 2000 eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Verfolgung von Korruptionsdelikten in Neuruppin. Ferner ist die Staatsanwaltschaft Cottbus eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Computerkriminalität, die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) eine solche für Grenzkriminalität, Organisierte Kriminalität und Geldwäsche und die Staatsanwaltschaft Potsdam eine solche für Wirtschaftsstrafsachen.
  • In Hessen gibt es in Frankfurt am Main seit dem 19. August 2010 eine „Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Umwelt und Wirtschaftsstrafsachen“ mit 83 Mitarbeitern.
  • In Mecklenburg-Vorpommern sind Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafsachen die Staatsanwaltschaft Schwerin und die Staatsanwaltschaft Rostock.
  • Niedersachsen hat seit 2002 eine Zentralstelle für Landwirtschaftsstrafsachen (Lebensmittel, Tierschutz und Tierfutter) in Oldenburg, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Stade und seit dem 1. Januar 2012 drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Internetkriminalität in Göttingen, Osnabrück und Verden. In Hannover befindet sich die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Kinderpornographie sowie in Verden, Osnabrück, Hannover und Braunschweig weitere solche zur Bekämpfung von Korruption. Die Staatsanwaltschaft Aurich ist zum 1. Januar 2012 zur Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Betäubungsmittelstrafsachen bestimmt worden.
  • In Nordrhein-Westfalen gibt es seit 1968 vier Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschafts- und Medizinkriminalität in Bielefeld, Bochum, Düsseldorf und Köln, danach auch in Wuppertal. Die Staatsanwaltschaft Dortmund bildet eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Verbrechen zu Zeiten des Nationalsozialismus.
  • Rheinland-Pfalz hat zwei „Zentralstellen für Wirtschaftsstrafsachen“ im Sinne des § 74c GVG in Koblenz und Zweibrücken, sowie die sog. „Landeszentralstelle für Wein- und Lebensmittelstrafsachen“ in Bad Kreuznach, in der ein Oberstaatsanwalt, vier Staatsanwälte, eine Wirtschaftsfachkraft und zwei Geschäftsstellenkräfte tätig sind.
  • Sachsen-Anhalt hat eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Organisierte Kriminalität und Internetstraftaten in Halle.
  • In Thüringen gibt es Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten im Gesundheitswesen. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen ist ferner eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Computerkriminalität.


Generalstaatsanwaltschaft

Den Staatsanwaltschaften übergeordnet sind als Mittelbehörde die Generalstaatsanwaltschaften, die bei den Oberlandesgerichten eingerichtet sind. Die Generalstaatsanwaltschaften üben unter anderem die Dienst- und Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften ihres Bezirks aus (§ 147 Nr. 3 GVG). Zum Beispiel überprüfen sie auf eine Beschwerde die Einstellung des Strafverfahrens (Deutschland) der Staatsanwaltschaften (Klageerzwingungsverfahren, § 172 StPO). Darüber hinaus nehmen sie die Aufgaben der Staatsanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht wahr (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 GVG), weshalb sie auch als „Staatsanwaltschaften bei dem Oberlandesgericht“ bezeichnet werden. So geben sie ihre Stellungnahmen bei Entscheidungen über Revisionen gegen Strafurteile der Amts- und Landgerichte oder über Rechtsbeschwerden gegen Bußgeldentscheidungen der Amtsgerichte sowie bei Beschwerden gegen Entscheidungen der Landgerichte und die von Amts wegen nach sechsmonatiger Untersuchungshaft vorzunehmende Haftprüfung nach §§ 121 f. StPO ab. Sie vertreten in einigen deutschen Ländern auch den Staat in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Justizbereich (Fiskalsachen). Die Generalstaatsanwaltschaften unterstehen dem Landesjustizministerium.


Geschichte

In Deutschland waren bis zum Ende des HRR Strafverfahren als Inquisitionsprozess organisiert, der Richter war gleichzeitig Ermittlungsbehörde. In der Franzosenzeit wurden in den französisch besetzen Gebieten und teilen der Rheinbundstaaten die Cinq codes eingeführt. Die enthaltene Code d’instruction criminelle|Strafprozessordnung führte zu einer Einführung von Staatsanwaltschaften. Die Staatsanwälte wurden als Generalprokurator, Oberprokurator oder Staatsprokurator bezeichnet. Auch nach dem Ende der Franzosenzeit blieb das französische Rechtssystem in vielen Linkes Rheinufer|linksrheinischen Gebieten, darunter der preußischen Rheinprovinz in Kraft. Im Rest von Preußen blieb es beim alten System. Dies wurde kontrovers diskutiert: Die Zahl der Strafverfahren stieg zwischen 1822 und 1840 in Preußen von rund 64.000 auf rund 252.000 an. Eine Entlastung der Gerichte war daher notwendig. Zugleich bestand der Wunsch des Staates auf das Ermittlungsverfahren Einfluss zu nehmen. Mit dem Amtsantritt von Friedrich Carl von Savigny 1842 als preußischer „Minister für Revision der Gesetzgebung“ wurde eine Justizreform angegangen. Der Preußischer Staatsrat (1817–1918)|Preußische Staatsrat nahm Savignys Vorlage positiv auf. Mit Gesetz vom 17. Juli 1846 wurde für den Bezirk des Berliner Kammergerichts die Neuordnung umgesetzt und mit Gesetz vom 3. Januar 1849 auf ganz Preußen ausgedehnt. Damit wurden zum 1. April 1849 überall in Preußen Staatsanwaltschaften gebildet. Mit den Reichsjustizgesetzen von 1877 wurden einheitlich Staatsanwaltschaft im ganzen Deutschen Reich eingeführt.


Weisungsgebundenheit

Anders als Richter, die bei ihrer Amtsführung nicht an Weisungen von Vorgesetzten gebunden sind, unterstehen Staatsanwälte in Deutschland der Behörden- und Ministerialhierarchie. Damit sind sie an die Weisungen ihrer jeweiligen Vorgesetzten gebunden. Deren Befugnis umfasst sowohl Weisungen im Einzelfall (etwa das Absehen von Strafverfolgungsmaßnahmen gegen eine bestimmte Person) als auch generelle Anweisungen, wie etwa das Absehen von Strafverfolgungsmaßnahmen bei sog. Menge (Betäubungsmittelrecht)#Geringe Menge bei Cannabisprodukten|Kleinstmengen im Betäubungsmittelrecht.

Der Staatsanwaltschaft wird Objektivität und Fairness unterstellt, da sie bei einer Anklage immer das Bewiesene als auch das Entlastende gleichermaßen im Blick haben. Die Weisungsgebundenheit konterkariert jedoch diese hehre Theorie: Staatsanwälte können vor allem in spektakulären Fällen nicht über die Köpfe ihrer Vorgesetzten hinweg agieren. Die Anklageschrift zu einer Hauptverhandlung müssen nicht die jeweiligen Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft selbst verfasst haben. Was vorgetragen wird, entscheiden daher ggf. ihre Vorgesetzten. Das kann bisweilen zu der absurden Situation führen, dass ein Staatsanwalt – wie im Fall Harry Wörz – am Ende eines Prozesses den Angeklagten weiterhin als Täter bezeichnen und einen entsprechenden Strafantrag stellen muss, obwohl die einst angeblich belastenden Indizien im Lauf der Hauptverhandlung Stück für Stück entwertet wurden.

Das eröffnet Möglichkeiten zum Missbrauch, indem der Justizminister als Mitglied der Exekutive Einfluss auf Vorbereitung der Entscheidungen der Judikative nimmt. Deshalb hat die für die Angelegenheiten der Staatsanwälte zuständige Kommission des Deutscher Richterbund (DRB) 2015 verlangt, dieses Weisungsrecht bei Einzelfällen (im Gegensatz zu allgemeinen ministeriellen Weisungen) abzuschaffen, denn wenn Entscheidungen der Staatsanwaltschaft unter dem Verdacht politischer Einflussnahme stehen, „schwindet die rehabilitierende Wirkung der Einstellung von Ermittlungsverfahren gegen Personen, die der Politik nahe stehen; umgekehrt besteht die Gefahr, dass der Einleitung von Ermittlungen gegen missliebige Personen entgegengehalten wird, sie beruhe nicht auf rechtlichen Erwägungen, sondern werde von der Politik gesteuert.“ Nach einem Beschluss des EuGH dürfen deutsche Staatsanwaltschaften keine europäischen Haftbefehle mehr ausstellen.

Für den ehemaligen Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, Erardo Cristoforo Rautenberg, verträgt sich der Anspruch der Staatsanwaltschaft, im Strafverfahren objektiv und unparteiisch zu agieren (vgl. § 160 Abs. 2 StPO), nicht mit ihrer Weisungsabhängigkeit vom Justizminister und damit von der politische Interessen verfolgenden Regierung, was er unter Angabe zahlreicher Quellen ausführlich begründet.<ref>Carsten/Rautenberg (2015), S. 503 ff.; siehe auch Rautenberg (2016).</ref>


Legalitätsprinzip

Kritiker bemängeln zudem eine Abschaffung des Legalitätsprinzips, da einige Staatsanwaltschaften heutzutage derart überlastet und unterfinanziert sind, dass zumindest bei vermeintlich kleineren Straftaten häufig überhaupt keine Ermittlungen mehr stattfinden oder aber sich der Aufwand nur darauf beschränkt, Gründe für eine Einstellung des Strafverfahrens (Deutschland) zu finden. Dadurch werde das Opportunitätsprinzip von der Ausnahme zur Regel, das Legalitätsprinzip hingegen zur bloßen Farce und fast vollständig dem Opportunitätsprinzip geopfert – mit fatalen Folgen für den Rechtsfrieden und die Rechtspflege|Justiz im Allgemeinen. Durch die einigen Staatsanwaltschaften vorgeworfene Praxis, Verfahren wegen vermeintlicher Kleindelikte ggf. standardmäßig einzustellen, entstehen langfristige Probleme. Dagegen folge aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, dass bei hinreichendem Tatverdacht Straftaten grundsätzlich verfolgt werden. Durch die aktive Einstellung von Verfahren, um Arbeit durch Unterbesetzung zu sparen, würden rechtsstaatliche Grundsätze entwertet (in dubio pro duriore).


siehe dazu:






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