Pflichtfeuerwehr

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Eine Pflichtfeuerwehr ist eine öffentliche Feuerwehr. Sie wird dann eingerichtet, wenn eine Freiwillige Feuerwehr nicht zustande kommt und deshalb der Brandschutz nicht gewährleistet werden kann. Es werden dann geeignete Personen (insbesondere dienstfähige und ausgebildete) zum Feuerwehrdienst verpflichtet. Der Feuerwehrdienst in der Schweiz ist in den meisten Kantonen eine Pflicht.


Zum Begriff von Pflicht und Zwang

Der Begriff Pflicht wird oft mit Zwang gleichgesetzt oder auch so empfunden. Zwangsarbeit ist durch verschiedene internationale Übereinkommen grundsätzlich verboten. Bestimmte verpflichtende Dienste sind jedoch innerhalb definierter Grenzen von diesem Verbot ausgenommen. Sie bildet beispielsweise einen Ausnahmetatbestand im Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 1930 und in Art. 4 der europäischen Menschenrechtskonvention.


Folgende Pflichtdienste gelten nicht als Zwangsarbeit:

  • ein Wehrpflicht|Pflichtdienst beim Militär den damit verbundenen Wehrersatzdienste, wie dem Zivildienst sowie bei militärähnlichen oder paramilitärischen Einrichtungen,
  • übliche Bürgerpflichten, wie der verpflichtende Dienst bei einer Pflicht- oder Milizfeuerwehr,
  • die Arbeit im Strafvollzug#Arbeit während des Vollzugs|Strafvollzug,
  • notwendige Arbeiten in Fällen höherer Gewalt, zum Beispiel verpflichtende Aufräumarbeiten nach Naturkatastrophen (Deichhilfe) oder die zivile Dienstpflicht von bestimmten Berufsgruppen, wie zum Beispiel Ärzten, Lkw-Fahrer etc. in wirtschaftlichen Ausnahmesituationen,
  • Arbeit, die dem unmittelbaren Wohl der Gemeinschaft dient, wie zum Beispiel Hand- und Spanndienste in kleinen Gemeinden.


Deutschland

Geschichtlich betrachtet ist in Deutschland die Pflichtfeuerwehr der Vorläufer der Freiwilligen Feuerwehr. So ist beispielsweise belegt, dass die Stadt Meißen bereits im Mittelalter ein organisiertes Löschwesen hatte. Per Gesetz war jeder Bürger zu Hilfeleistung bei Bränden verpflichtet. Wer sich widersetzte, wurde entweder mit Haft oder Verbannung aus der Stadt bestraft.

Um das Jahr 1835 mussten nach Verordnung der Regierung des Herzogtum Nassau Pflichtfeuerwehren aufgestellt werden. So wurde jeder Mann vom 20. bis zum 60. Lebensjahr zum Feuerlöschdienst verpflichtet und hatte dreimal im Jahr zu einer Pflichtübung zu erscheinen. Ausgenommen waren Pfarrer, Ärzte und Lehrer. Die Mitglieder der Pflichtfeuerwehren wurden im Brandfalle nicht immer mit den anfallenden Aufgaben fertig. Dies war ein wesentlicher Grund, dass engagierte Bürger nach und nach Freiwillige Feuerwehren gründeten. Eine Pflichtfeuerwehr war auch in § 67 ff. der 1885 erlassenen Feuerpolizeiordnung der Provinz Westfalen vorgesehen. Ein historisches Beispiel ist die Pflichtfeuerwehr Weigheim (1888 bis 1930), in einem heutigen Teilort der Stadt Villingen-Schwenningen, die auch als Grundlage für die Feuerwehrtradition in der erst durch die Gebietsreform vereinigten Doppelstadt herangezogen wird.


Organisation

Welche Person herangezogen werden kann, regeln heute die jeweiligen Landesgesetze. Beispielsweise kann dies jeder Einwohner vom 18. bis zum 63. Lebensjahr sein. Bestimmte Gruppen können von der Dienstpflicht ausgeschlossen sein, dazu können gehören: Polizeivollzugsbeamte, Angehörige der Bundeswehr, Angehörige der Bundespolizei (Deutschland), Forstbeamter sowie aktive Angehörige einer anderen im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisation oder Institut (Organisation) sowie diejenigen, die einen Ablehnungsgrund für ein kommunales Ehrenamt geltend machen können. Ausschlussgrund kann auch Gesundheitszustand sein.

Als gesetzliche Grundlage dienen die Feuerwehrgesetz (Deutschland).

Es kommt heute relativ selten vor, dass eine Gemeinde gezwungen ist, eine Pflichtfeuerwehr aufzustellen. In der näheren Vergangenheit wurde dieser Schritt beispielsweise notwendig, wenn ein Großteil der Feuerwehrleute aus Protest aus der Freiwilligen Feuerwehr ausgetreten ist. In der Zukunft könnte die Aufstellung von Pflichtfeuerwehren wieder erforderlich werden, denn viele Feuerwehren sind am Tage während der Kernarbeitszeit oft nicht ausreichend besetzt. Dies geschieht aufgrund der weiten Fahrtstrecken der Feuerwehrangehörigen zu ihren Arbeitsplätzen und aufgrund uneinsichtiger Arbeitgeber, die ihre Angestellten trotz eindeutiger gesetzlicher Regelungen (vgl. z. B. § 20 BHKG) nicht für den Einsatz freistellen. Hinzu kommt der demografische Wandel.

In einigen Ländern – so zum Beispiel in Schleswig-Holstein – wird die Pflichtfeuerwehr als eigenständige Organisationsform angesehen. Andere Gliedstaaten wie Baden-Württemberg kennen den Begriff der Pflichtfeuerwehr im Landesrecht gar nicht und stellen dienstverpflichtete Feuerwehrangehörige den Angehörigen einer Freiwilligen Feuerwehr gleich. Die Feuerwehr, die mit Dienstverpflichteten arbeitet, trägt dann auch die Bezeichnung „Freiwillige Feuerwehr“ (außer in dem Fall, dass die Feuerwehr daneben eine Abteilung Berufsfeuerwehr führt; dann ist die Bezeichnung beschränkt auf „Feuerwehr“).

Sowohl eine Feuerwehrdienstpflicht nur für Männer als auch eine Feuerwehrabgabe als Ersatzleistung verstößt mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 1995 (Az.: BvR 403 u. 569/94) gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|GG. Zudem liege das Feuerlöschen im Interesse der Allgemeinheit, wofür nur allgemeine Steuern heranzuziehen seien.


Beispiele

Aktuell bestehen folgende Pflichtfeuerwehren:

  • Feuerwehr Burg (Dithmarschen) in Feuerwehr in Schleswig-Holstein (nach Massenaustritt seit 2009 Pflichtfeuerwehr)
  • Feuerwehr Friedrichstadt in Schleswig-Holstein (seit 2016 Pflichtfeuerwehr)
  • Feuerwehr Grömitz in Schleswig-Holstein (seit 2018 Pflichtfeuerwehr)
  • Feuerwehr List auf Sylt in Schleswig-Holstein (seit 2005 Pflichtfeuerwehr)

Vorübergehend bestanden in jüngerer Vergangenheit folgende Pflichtfeuerwehren:

  • Feuerwehr Malchow in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2006
  • Feuerwehr Kusel in Feuerwehr in Rheinland-Pfalz im Jahr 2009 zeitweise eine Pflichtfeuerwehr
  • Feuerwehr Pietzpuhl in Feuerwehr in Sachsen-Anhalt von 2007 bis 2010


Durchsetzbarkeit der Dienst- und Hilfeleistungsverpflichtung

Die gesetzlichen Regelungen zu den Dienst- und Hilfeleistungsverpflichtungen im Bevölkerungsschutzrecht schaffen grundsätzlich die notwendige Rechtsgrundlage für die rechtsverbindliche Anordnung der entsprechenden Handlungen. Die gesetzliche Rechtspflicht zu Dienst- und Hilfeleistungen wird im Einzelfall durch den behördlichen Verpflichtungsakt konkretisiert, so dass der Adressat im Grundsatz zur Befolgung verpflichtet ist. Dennoch bedarf es darüber hinausgehender rechtlicher Instrumente, um bei Verweigerungen die Durchsetzung der Pflichten zu gewährleisten. Hierzu kommen Vollstreckungs- und Sanktionierungsmittel in Betracht.


Vollstreckung

Die Bindungswirkung von Heranziehungsanordnungen wird durch einen etwaigen Widerspruch des Adressaten nicht gehemmt. Zwar entfalten Widersprüche grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, allerdings entfällt diese in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird. Diese Entscheidung hat die Behörde grundsätzlich schriftlich zu begründen. Jedoch bedarf es einer besonderen Begründung nach § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft. Dies kommt insbesondere bei der Heranziehung von Personen zu Hilfeleistungen im Einzelfall in Betracht. Bei der Begründungspflicht wird es allerdings in der Regel im Falle der Dienstverpflichtung bleiben.

Von der Abwendung einer aufschiebenden Wirkung ist die Vollstreckung zu unterscheiden. An dieser Stelle zeigt sich, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Verpflichtungsanordnung faktisch beschränkt sind. Da die individuelle Verpflichtung nur von dem Adressaten selbst vorgenommen werden kann und nur vom Willen des Pflichtigen abhängt, stellt sie eine unvertretbare Handlung i. S. d. Verwaltungsvollstreckungsrechts dar. Folglich sind die Vollstreckungsoptionen der Behörden auf die Anordnung, Festsetzung und Vollziehung eines Zwangsgelds begrenzt. Als letztes Mittel kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der zuständigen Behörde und nach Anhörung des Pflichtigen durch Beschluss Ersatzzwanghaft anordnen, wenn bei Androhung des Zwangsgeldes hierauf hingewiesen worden ist und das Zwangsgeld uneinbringlich ist. Eine tatsächliche Erzwingung von realen Dienst- und Hilfeleistungen ist somit faktisch und rechtlich nicht möglich. Sofern sich der Verpflichtete zur Umsetzung seiner Pflicht weigert, kann er nur mithilfe der benannten Maßnahmen zur Handlung angehalten werden, ohne dass jedoch im Falle einer Totalverweigerung die tatsächliche Erfüllung der Pflichten mit Sicherheit erreicht werden kann. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass durch den Vorbehalt der Zumutbarkeit der Durchsetzbarkeit von Dienst- und Hilfeleistungsverpflichtungen Grenzen gesetzt sind. Im Falle der im Einzelfall Herangezogenen kommt dies expressis verbis in den gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck: Eine Heranziehung und folglich auch eine Vollstreckung von Hilfeleistungen ist im Falle der Eigengefährdung ausgeschlossen. Da es de lege lata an einer hinreichenden Rechtsgrundlage für die Dienstpflicht zur Aufgabenerfüllung unter Eigengefährdung mangelt, scheidet auch die Erzwingung von Maßnahmen durch Dienstverpflichtete unter Eigengefährdung aus. Insofern können sich Effektivitätshindernisse im Bevölkerungsschutz dann ergeben, wenn das Personal unfreiwillig verpflichtet wird und es an einer Bereitschaft zur konsequenten und erforderlichen Aufgabenerfüllung mangelt.

Österreich

Dem Gesetz nach kann der Bürgermeister jeden Einwohner einer Gemeinde (Österreich) heranziehen, der geeignet ist, einer Pflichtfeuerwehr anzugehören. Eine Pflichtfeuerwehr gibt es aber in Österreich nur theoretisch, da die meisten Gemeinden den Brandschutz mit Freiwilligen Feuerwehren abdecken.




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