Pyromanie

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Brandstiftung ist ein Verbrechen
gem. § 306 StGB; hier in Versmold
Foto: Rainer Schwarz

Der Begriff Pyromanie (von griech. Polytonisch|πῦρ (pyr) = Feuer, μανία (mania) = Raserei) wurde im frühen 19. Jahrhundert geprägt, siehe Monomanie. Diese Lehre lehnt die Psychiatrie und insbesondere die forensische Psychiatrie seit Anfang des 20. Jahrhunderts entschieden ab, im Gegensatz zur Manie, die aber nichts mit derartigen Zwangshandlungen zu tun hat.


Begriffsgeschichte

Der Begriff entstammt der Monomanielehre der französischen Psychiater Jean Etienne Dominique Esquirol und Charles Chretien Henry Marc.

Neben der „Monomanie des Diebstahls“ (Kleptomanie) wurden „Monomanien“ zu praktisch jedem denkbaren auffälligem bzw. delinquenten menschlichen Verhalten beschrieben: „hypochondrische Monomanie“, „religiöse Monomanie“, „erotische Monomanie“, „Selbstmordmonomanie“, „Mordmonomanie“, „Monomanie des Reichtums, Ehrgeizes, Stolzes“, „ascetische, religiöse Monomanie“, „Dämonomanie“, „Erotomanie“, „Monomanie aus Nachahmung“, u.a.m.


deutsche Entsprechungen des Begriffs

Der Begriff bedeutet zunächst "Monomanie der Brandstiftung". Im deutschen Sprachraum werden u.a. folgende Entsprechungen gefunden:

Nicht selten wird der Begriff auch völlig außerhalb eines psychiatrischen Kontextes gebraucht, um Personen zu charaktersieren, die leidenschaftlich mit Feuer umgehen (kokeln).


Ablehnung des Begriffs in der forensischen Psychiatrie

Aufgrund der bis zur Beliebigkeit reichenden konzeptionellen Unschärfe wurde die Monomanielehre bereits im ausgehenden 19.Jahrhundert von der Psychiatrie verworfen; ihre einzelnen Kategorien (z.B. auch die „Pyromanie“) werden als „kriminalpsychiatrische Kunstprodukte“ (Birnbaum 1926) abgelehnt. Auch die jüngste forensische Psychiatrie lehnt die Monomanielehre und den untrennbar mit ihr verbundenen Begriff "Pyromanie" völlig ab, da hiermit sozial störendes und delinquentes Verhalten in „unangemessener Weise monosymptomatisch zu Krankheitsbildern hochstilisiert wurde, [...], und damit im Zirkelschluss nahe legte, dass entsprechende Verhaltensweisen als krankhaft einzustufen seien“ (Venzlaff & Pfäfflin 2005, Janzarik 1974, Mundt 1986).


Übernahme des Begriffs in die Internationale Klassifikation psychischer Störungen

Überreste der Monomanielehre finden sich noch in der ICD-10 im Kapitel F63 („Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“), u.a. mit der Kategorien F63.3 „pathologische Brandstiftung [Pyromanie]“.

Problematisch an der Aufnahme des Begriffs in psychiatrische Klassifikationssysteme ist, dass hiermit die Erwartung geweckt wird, Brandstiftungen mit Merkmalen der "Pyromanie" würden als psychische Störungen von Gerichtspsychiatern und Gerichten als schuldmindernd anerkannt.

Trotz der (fragwürdigen) Übernahme in die ICD-10 oder ins DSM-IV (Kritische Übersicht bei Müller), wird der Begriff aber durch die forensische Psychiatrie vehement abgelehnt (Venzlaff & Pfäfflin 2004).

In populärwissenschaftlichen Zusammenhängen, in Feuilletons oder gerade auch im Internet taucht der Begriff immer wieder auf, i. d. R. mit der mehr oder weniger offen formulierten Annahme, dass hier doch eine psychische Störung vorliege.


Kriterien

Pyromanie ist ein klar umrissenes Krankheitsbild. Im "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders", dem international gültigen Diagnosekatalog der Psychiatrie, finden sich eindeutige Kriterien:

  • Die bewusste und vorsätzliche Brandstiftung in mehreren Fällen.
  • Große Anspannung und Erregung vor der Tat.
  • Großes Interesse an Feuer und allem, was damit zu tun hat.
  • Freude oder Erleichterung während der Brandstiftung.
  • Die Brandstiftungen wurden nicht aus finanziellen Gründen, Rachegelüsten etc. gelegt.


Verbreitung

Pyromanie ist insgesamt eher selten, kommt aber unter Brandstiftung relativ häufig vor. In einer großen Studie in den USA fanden sich unter 1145 Erwachsener|erwachsenen Mann Brandstiftung 39% mit einer Pyromanie. Bei Frauen ist sie kaum vorhanden.

Oftmals wird angenommen, dass besonders viele Brandstifter selbst Mitglied in einer Feuerwehr sind. So haben Pyromanen aufgrund ihrer Krankheit sicher eine gesteigerte Motivation, in eine Feuerwehr einzutreten, doch wird versucht, dies durch eine geeignete soziale und strafrechtliche (Führungszeugnis]) Mitgliederauswahl zu verhindern. Auch eine Kontrolle innerhalb der sozialen Gruppen der Feuerwehr verhindert solche Tendenzen. Jedoch ist dieses Problem keine Besonderheit der Feuerwehr – auch andere Gruppen könnten ähnliche Anziehungspunkte für nicht geeignete Mitglieder darstellen (vgl. Vorurteile: Schützenverein, Bundeswehr). Deshalb ist ein professioneller und differenzierter Umgang mit dem Thema notwendig.


Folgen und Komplikationen

Pyromanie kann zu Brandstiftung und zur damit verbundenen Sachbeschädigung führen; auch Menschen können dadurch gefährdet sein. Der Pyromane macht sich deshalb strafbar.


Behandlung

Die Behandlung erfolgt psychotherapeutisch und verhaltenstherapeutisch.



Literatur

  • Karl Birnbaum: Die psychopathischen Verbrecher, Thieme, Leipzig 1926
  • Horst Dilling u.a. (Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10, Kapitel V (F); klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84286-4
  • Jean Etienne Dominique Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen. Hartmann, Leipzig 1827
  • Jean Etienne Dominique Esquirol: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und Staatsarzneikunde. Voß, Berlin 1838 (2 Bde.)
  • Werner Janzarik: Themen und Tendenzen in der deutschsprachigen Psychiatrie. Springer, Berlin 1974
  • Charles Chretien Henry Marc: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Rechtspflege Voß, Berlin 1843/1844 (2 Bde.)
  • André Matthey: Nouvelles recherches sur les maladies de l’esprit précédées considérations sur les difficulté de l’art de guérir. Paschoud, Paris, 1816
  • Tobias Müller: Störungen der Impulskontrolle – Alter Wein in neuen Schläuchen? In: Rolf Baer u.a. (Hrsg.): Wege psychiatrischer Forschung. Perimed, Erlangen 1991, ISBN 3-88429-390-7
  • Henning Saß u.a.: Diagnostische Kriterien des diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Störungen. DSM-IV-TR. Hogrefe, Göttingen 2003, ISBN 3-8017-1661-9
  • Ulrich Venzlaff, Friedemann Pfäfflin: Persönlichkeitsstörungen und andere abnorme seelische Entwicklungen. In: Klaus Foerster (Hrsg.): Psychiatrische Begutachtung. Elsevier, München 2004, ISBN 3-437-22900-1



siehe auch:


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