Falsche Taktik – grosse Schäden

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Falsche Taktik – grosse Schäden

Falsche Taktik - Große Schäden
Das Buch lässt den Leser alle Arten von Feuerwehreinsätzen unter einem völlig neuen Blickwinkel betrachten.
Das Buch versteht sich nicht als Fachbuch, sondern eher als provozierende Lektüre, die dem Leser schonungslos und eindringlich Defizite in der Einsatzentwicklung offenbart.
Von Dr. Markus Pulm.
Rußanhaftungen im Treppenhaus. Wäre die Tür zu gewesen, wäre der Brandschaden geringer ausgefallen. Verfügt man über eine Hausratversicherung werden die Bilder ersetzt.
Foto: Rainer Schwarz

Brennen ist ein dynamischer Prozess, der ein schnelles Eingreifen erfordert.
Dies gilt insbesondere bei Bränden in geschlossenen Räumen, wenn die Wärme nicht entweichen kann. Aus diesem Grund rückt die Feuerwehr gleich mit schlagkräftigen taktischen Einheiten an und nimmt dabei Sonder- und Wegerechte in Anspruch.

Trotz oder gerade wegen der Dynamik gilt es aber vor Ort inne zu halten, die Lage zu erkunden und nüchtern zu bewerten. Nüchtern bedeutet in diesem Zusammenhang, sich nicht von optischen und sonstigen Eindrücken blenden zu lassen, sondern sich ausschließlich an Fakten zu orientieren.
Auf der Grundlage des Erkundungsergebnisses gilt es dann, die richtigen Maßnahmen anzuordnen, um den erkannten Gefahren zu begegnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unter Gefahr eine Sachlage zu verstehen ist, die im Einzelfall bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden am Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führen wird.

Es geht also nicht darum, irgendwelche Effekte zu bekämpfen und Aktionismus zu entwickeln. Vielmehr gilt es, tatsächlich bestehende und erkannte Gefahren zu bekämpfen und Schäden zu vermeiden. Allein an diesem Ziel haben sich die Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörde „Feuerwehr“ zu orientieren.
Was dies bedeutet, soll an einem einfachen Beispiel in Form eines Küchenbrandes erläutert werden. Wir nehmen an, dass sich der Brand bereits entwickeln konnte und bei Eintreffen der Feuerwehr die Flammen aus dem Fenster schlagen. Auf den ersten Blick scheint die Lage klar und einfach, der Brand in der Küche muss sofort bekämpft werden. Vermeintlich gilt es primär die Fragen „Wo brennt es?“ – „Wie kommen wir am schnellsten dorthin?“ und „Wie bekommen wir das Feuer so schnell wie möglich aus?“ zu beantworten. Aber ist dies der richtige Ansatz?

Das Feuer hat sich in der Küche bereits entwickelt. Was gibt es in dieser Küche noch zu retten?
Was passiert mit den Resten der Küche, die die Feuerwehr durch einen massiven Löschangriff gerettet hat?
Nehmen wir nun an, dass die Wohnungsinhaber richtig reagiert und die Küchentür vor Verlassen der Wohnung geschlossen haben. In diesem Fall hält die Tür die Wärme und auch die Rauchgase zurück und schützt den Rest der Wohnung vor thermischen Schäden und Schäden durch Kontamination.

Öffnet die Feuerwehr nun die Tür der Küche ohne Rücksicht auf den Rest der Wohnung und fokussiert sich ausschließlich auf die Bekämpfung des Brandes, so wird sie in der Küche keine Werte retten, da es dort nichts mehr zu retten gibt. Wenn die Feuerwehr mit dem Öffnen der Tür Wärme und Rauchgase in die Wohnung gelangen lässt, entstehen in anderen Bereichen der Wohnung mit hoher Wahrscheinlichkeit Schäden, die sich hätten vermeiden lassen. Die Vorgehensweise wäre damit nicht zielorientiert gewesen und müsste als kontraproduktiv eingestuft werden.

Zielorientiert wäre es gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, möglichst große Bereiche der Wohnung und die dort befindlichen Werte zu erhalten und dabei sogar ein längeres Brennen in der Küche zu tolerieren. Maßnahmen dieser Art können sein, Türen zu angrenzenden Räumen zu schließen, bevor die Küchentür geöffnet wird, den Brand in der Küche über das Fenster zu bekämpfen, die Türöffnung mit einem Tuch (mobiler Rauchverschluss) zuzuhängen oder mit Hilfe eines Drucklüfters den Austritt von Feuer und Rauch aus der Küche zu unterbinden.

Was für den Brand in der Küche gilt, gilt natürlich auch bei Bränden im gewerblichen Bereich, bei Einsätzen, bei denen Kulturgüter gefährdet werden, bei Bränden in Sonderbauten wie Krankenhäusern, Altenheimen und so weiter. Nicht immer stellt sich der Sachverhalt aber so einfach dar, wie am Beispiel des Küchenbrandes dargestellt. Das Prinzip ist aber immer das Gleiche und lässt sich auch auf alle anderen Einsatzarten übertragen.

Wesentlich ist, die eigentliche Ziele im Sinne der Abwehr von Gefahren für Menschen, Tiere, Sachwerte und die Umwelt nicht aus dem Auge zu verlieren und gleichzeitig bei Bedarf bereit zu sein, Werte aufzugeben, die ohnehin bereits verloren sind oder deren Rettung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich erscheint. Es gilt, auch im Einsatz den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ anzuwenden.


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